Eine Pflanze, die das engelhafte in ihrem Namen trägt, muss eine ganz besondere Pflanze sein! Nicht ein Engel, sondern ein Erz-Engel soll einem Eremiten diese Pflanze als ein Mittel gegen die Pest gezeigt haben.
Und tatsächlich half und hilft die Wurzel dieser Pflanze besonders in Zeiten der Ansteckungsgefahr. Die Kräuterkundigen wissen um ihre keimtötenden Eigenschaften und Schutzwirkung. Ihre Inhaltsstoffe ergänzen sich in einem solchen Maße, dass sie uns sehr gut vor Infektionen schützen kann. Dazu reicht es, ab und zu ein Stück getrocknete Wurzel in den Mund zu nehmen und zu kauen.
Eine Legende aus dem Mittelalter erzählt vom „Essig der vier Räuber“. Es waren vier Räuber, die während der Pestzeit die armen erkrankten Menschen ausraubten. Sie drangen in die Häuser ein und steckten sich selbst nicht an. Als sie dann doch einmal gefasst wurden, verraten sie ihr Geheimnis: sie tränkten ihre Räubermasken mit einem Kräuteressig und wuschen sich damit auch nach ihren Raubzügen ab. In diesem Essig fanden sich Kräuter wie der Rosmarin, Minze und natürlich der Engelwurzwurzel.
Die Engelwurz ist eine Pflanze mit aktuellem Zeitbezug. Diese engelsgleiche Pflanze bietet uns Schutz vor äußeren Angriffen, körperlich wie seelisch. Sie schenkt uns Trost und Kraft, um den Anforderungen des Alltags zu begegnen. Schauen wir sie uns doch einmal näher an.
Erkennungsmerkmale
Die Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris) finden wir bei uns vor allem in feuchten Wäldern, bevorzugt an Graben- und Wegrändern. Sie wächst aber auch gerne in feuchten Wiesen, Wald- und Grabenrändern. Die Nähe zum Wald sucht sie jedoch stets.
Die Wald-Engelwurz ist eine Staude, die bis zu 2 Meter groß und drei Jahre alt werden kann. Im ersten Jahr entwickelt sie ihre Blätter und im zweiten oder dritten Jahr dann ihren Blütenstand. Wenn sie ihre Blüte und ihre Samen in die Welt gebracht hat, dann beendet sie ihren Lebenszyklus. Dann dürfen wir auch ihr Wurzel ernten.
Die Stängel der Wald-Engelwurz sind glatt, hohl und rund, manchmal weißlich bereift oder auch rot. Die Blätter sind 2- bis 3-fach gefiedert. Die einzelnen Blättchen sind eiförmig länglich, die Blattscheiden sind bauchig aufgeblasen. Die Wald-Engelwurz gehört zu den Doldenblütlern, ihre Blüten wachsen in 20 bis 30 Döldchen in einer halbkugeligen Dolde. Die einzelnen Blüten selbst sind weiß oder rötlich und entwickeln sich im Spätsommer zu zahlreichen Samen.
Die ganze Pflanze riecht sehr aromatisch, vor allem die Blätter und die Samen. Verwechslungsmöglichkeiten bestehen mit dem Wiesen-Bärenklau, der jedoch einen kantigen und steif borstigen, behaarten Stängel hat. Die Blätter sind buchtig gelappt und grob gezähnt.
Ernte
Die aromatischen Blätter der Wald-Engelwurz werden am besten im Frühling und Frühsommer geerntet, die Samen im Spätsommer ab August/ September und die Wurzel dann im Herbst. Wenn du eine Wurzel erntest, dann sorge für die Samenverbreitung. Sammle vor dem Ausgraben der Wurzel die Samen ab und verteile sie im Wald, einige kannst du auch mitnehmen.
Verwendung in der Wildkräuterküche
Die jungen Blätter schmecken sehr würzig und regen die Verdauungssäfte an. Sie können zu würzigem Kräutersalz verarbeitet werden oder Suppen, Soßen, Fisch und Fleischspeisen bereichern.
Die jungen Stängel können wie Rhabarber geschält und weich gekocht, danach mit Käse überbacken oder mit einer Sauce serviert werden.
Die Samen sind ebenfalls sehr aromatisch und können als Würze für Speisen verwendet werden.
Verwendung als Heilpflanze
Als Heilpflanze wird in der Schulmedizin die Echte Engelwurz (Angelica archangelica) verwendet, die ihr natürliches Verbreitungsgebiet in Nordeuropa hat. In der Wurzel der „Angelika“ vereinen sich viele Wirkstoffe, wie z. B. ätherische Öle, Bitterstoffe, Flavone, Cumarine, Gerbstoffe, Harze und Zucker. Die Angelikawurzel wird schulmedizinisch vor allem bei Verdauungsbeschwerden verwendet, wie z. B. bei verzögerter Verdauung, leichten Bauchkrämpfen, Blähungen, Völlegefühl oder auch zur Appetitanregung. Die im Volksmund genannte „Brustwurz“ wird aber auch bei Bronchitis erfolgreich angewendet.
Der Kräuterexperte und Pfarrer Sebastian Kneipp betonte, dass unsere heimische Wald-Engelwurz die gleichen Kräfte in sich trägt wie die nordische „Echte“ Engelwurz.
In der Volksheilkunde schätzt man die Wald-Engelwurz ebenfalls bei Atemwegserkrankungen und setzt sie als allgemeines Stärkungsmittel nach oder während schwierigen Zeiten und zum Infektionsschutz ein. Die Angelikawurzel war und ist Bestandteil der Lebenselixiere wie Melissengeist oder Schwedenbitter. So ist es kein Wunder, dass sie gerne in den Klostergärten angebaut wurde und heute noch dort zu finden ist. Der Engelwurzbalsam wird in der Kinderheilkunde sehr geschätzt, wenn einmal die Nase verstopft ist oder es zu Entzündungen der Nasennebenhöhlen kommt. Die Engelwurzsalbe schätzen Erwachsene bei den selben Beschwerden, zusätzlich auch bei rheumatischen Schmerzen.
Ihre kräftigende, lichtvolle und schützende Wirkung wird vor allem in der Aromatherapie sehr geschätzt. Das kostbare ätherische Öl lindert Angst und Beklemmungen, schenkt uns Hoffnung und lichtvolle Momente. Und auch hier zeigt die Engelwurz, dass sie eine Pflanze der aktuellen Zeitqualität ist. Sie schützt uns auf körperlicher Ebene vor Infektionskrankheiten und auf seelischer Ebene vor Ängsten.
Die schützende Wirkung der Engelwurz können wir auch in direktem Kontakt mit ihr erfahren. Hast du schon einmal unter einer Engelwurz gestanden oder gelegen? Versuche es einmal. Es ist, als ob sich Engelsflügel wie ein Mantel beschützend und tröstend um die Schultern legen. Und sei gewiss: Die Engelwurz schenkt dir reine Liebe.
Neben- und Wechselwirkungen
Die in der Engelwurz enthaltenen Furocumarine können die Haut lichtempfindlicher machen und bei UV-Bestrahlung zu phototoxischen Reaktionen führen. Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind keine bekannt.
Die Engelwurz wirkt menstruationsfördernd und sollte daher während der Schwangerschaft nicht verwendet werden. Auch für Menschen mit einer erhöhten Magensaftproduktion ist die Engelwurz nicht immer geeignet.
Rezepte
Rezept: Engelwurz-KräutersalzFrische Blätter der Echten oder Wald-Engelwurz sehr klein schneiden und mit der gleichen Menge Meer- oder Steinsalz mörsern, bis ein grünes Salz entstanden ist. Auf einem Holzbrett 3 – 5 Tage trocknen lassen und dann noch einmal fein mörsern. Rezept: Essig der vier Räuber
Je ein Teil Wurzeln von Engelwurz und Alant und je vier Teile von Rosmarinnadeln, Salbei- und Pfefferminzblättern in eine Flasche geben und mit einem guten Weinessig aufgießen. Die Kräuter müssen gut vom Essig bedeckt sein. Mindestens zwei Wochen an einem warmen Ort ziehen lassen und immer wieder aufschütteln. Bei Infektionskrankheiten und Ansteckungsgefahr kann der Essig innerlich teelöffelweise eingenommen werden (z. B. dreimal täglich 1 TL in einem Glas Wasser) oder äußerlich zur Desinfektion als Abreibung oder Umschlag (verdünnt mit Wasser) angewendet werden. Innerlich eingenommen hilft der Essig auch bei Verdauungsbeschwerden und stärkt das Allgemeinbefinden. Rezept:
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Quellen:
Siegrid Hirsch & Felix Grünberger: Die Kräuter in meinem Garten
Schönfelder: Der Kosmos Heilpflanzenführer
Ursula Stumpf: Unsere Heilkräuter
Ursel Bühring: Alles über Heilpflanzen.
Hinweis:
Die hier angegebenen Anwendungsbeispiele und Rezepturen ersetzen in keiner Weise den Arztbesuch. Die Anwendung erfolgt in eigener Verantwortung und auf eigene Gefahr.