Der Waldmeister – Lebensfreude aus dem Wald

Mit dem Waldmeister verbinden wohl viele Menschen den grünen Waldmeistersirup oder Wackelpudding. Tatsächlich sind es hier künstliche Aromen, die Farbe und Geschmack ausmachen. Ab dem Jahr 1981 wurde der „echte“ Waldmeister (Galium odoratum) als Lebensmittel verboten. Er wurde damals als krebserregend eingestuft, was heute jedoch widerlegt ist. Leider ist diese quirlige Pflanze als Heil- und Genussmittel etwas in Vergessenheit geraten.

Wäre da nicht die Maibowle! Der Waldmeister (Galium odoratum) erscheint im April spiralig aus dem Boden und blüht nur wenige Tage später bis in den Mai hinein. Dieser Spiraltanz aus der Erde inspirierte wohl unsere keltischen Vorfahren, die mit dem Waldmeister den berauschenden Maitrunk herstellten und bei den Beltanefeuern im Mai tranken. Beltane war ein ausschweifendes Fest, bei welchem die Fruchtbarkeit der wieder erwachten Natur gefeiert und herbeigerufen wurde. Es wurde getanzt, gesungen und getrunken. Eben von diesem Maitrunk, der eine leicht bewusstseinserweiternde Wirkung hat, wenn man es mit der Menge des verwendeten Krautes oder des Getränkes übertreibt. Zudem glaubte man, dass die Maibowle das Herz für das kommende Jahr stärkt und Kraft für die Ernte gibt.

Beim Aussprechen des Namens „Waldmeister“ assoziiere ich sofort einen zünftigen Forstmann mit einem Hut auf dem Kopf. Doch was hat diese zarte und luftige Pflanze mit einem Forstmann zu tun? Ein Blick in ältere Kräuterbücher gibt Aufschluss: in früheren Zeiten wurde diese Pflanze „Waldmutterkraut“ genannt, da sie in der Frauenheilkunde angewendet wurde (z. B. in den Bettstrohkräutern). Der Duft des Waldmeisters stärkt das Herz von Mutter und Kind, so die Erfahrung. Und nicht nur das Herz, sondern auch die Nerven wurden gestärkt und ein guter Schlaf unterstützt.

Einen Bezug zum Herz hat der Waldmeister allemal, sein Volksname „Herzfreude“ deutet darauf hin. Dies zeigt ein alter Brauch, bei Unmut im Haus den Waldmeister aufzuhängen, zwischen die Wäsche zu legen oder auf dem Boden auszulegen – um Herzlichkeit einziehen zu lassen.

Geerntet wird das Kraut vor der Blüte für die Maibowle und während der Blüte für Heil- und Räucherzwecke. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine Maibowle auch mit blühendem Waldmeister wunderbar schmeckt!

Die Schulmedizin verwendet den Waldmeister nicht. In der Volksheilkunde schätzt man ihn nach wie vor als beruhigendes, krampflösendes, herzstärkendes und blutreinigendes Mittel. So kann er, am besten als Tee, bei Migräne und Kopfschmerzen, Nervosität, Angst und Herzklopfen eingesetzt werden. Rieche doch mal an dem Waldmeister und spüre, welche Gefühle in dir aufsteigen! Interessanter Weise mögen Motten den Geruch gar nicht, und so wird der Waldmeister gerne getrocknet in Kleiderschränke gelegt.

Bei Migräne und Kopfschmerzen ist die Dosierung wichtig, da die enthaltenen Cumaringlykoside in einem Übermaß eingenommen auch Kopfschmerzen auslösen oder verstärken können. Taste dich bei Bedarf also vorsichtig an deine Dosierung heran und beginne erst einmal mit einer Tasse Tee (1 TL mit einer Tasse heißen Wasser übergießen und 5 – 7 Minuten ziehen lassen).

Und nun gehe noch geschwind in den Wald und such den Waldmeister auf. Lege dich zu ihm und beobachte seinen Tanz. Wenn du ein paar Stängel geerntet hast, dann schnuppere mit deiner Nase an ihm. Der wunderbare Duft des Waldmutterkrautes entfaltet sich erst beim Welken.

Rezepte

Maibowle

12 Stängel Waldmeister drei Stunden antrocknen lassen, damit sich das Aroma entwickeln kann. Dann eine Flasche Weißwein darüber gießen und zwei Stunden ziehen lassen. Zum Schluss wird dann noch eine Flasche gekühlter Perlwein oder Sekt dazu gegeben.

Für eine alkoholfreie Maibowle nimmt man statt Wein Apfelsaft und statt Sekt Sprudelwasser.

Waldmeisterlikör (Hirsch & Grünberger)

15 – 20 Stängel blühenden Waldmeister mit einem Liter Korn oder Obstler übergießen und für 3 Wochen an einen warmen Platz stellen. Dann abfiltern und mit einer Zuckerlösung süßen. Alternativ kannst du auch eine Zuckeralternative nehmen. Ich habe sehr gute Erfahrung mit Agavendicksaft gemacht.
Der Likör muss noch mindestens drei Monate nachreifen (am besten dunkel und eher kühl aufbewahren).

Migränetee (Fischer-Rizzi)

30 g Waldmeisterkraut, 30 g Schlüsselblumenblüten, 20 g Thymiankraut und 10 g Lavendelblüten.
Einen Teelöffel der Mischung mit einer Tasse kochendem Wasser aufgießen, 5 Minuten ziehen lassen.

Schlafkissen

(für starke Nerven und guten Schlaf)
Eine Kissenhülle mit je einem Teil Waldmeister, Lavendelblüten und Rosenblüten oder alternativ vier Teile Waldmoos, ein Teil Waldmeister und ein Teil Hopfenblüten (Fischer-Rizzi) befüllen.


Schutzräucherung
Alantblüten, Beifußkraut und blühenden Waldmeister trocknen und mischen. Bei Bedarf kann noch ein wenig Fichtenharz zugefügt werden.

Hinweis:
Die hier angegebenen Anwendungsbeispiele und Rezepturen ersetzen in keiner Weise den Arztbesuch. Die Anwendung erfolgt in eigener Verantwortung und auf eigene Gefahr.

Quellen:
Siegrid Hirsch & Felix Grünberger: Die Kräuter in meinem Garten.
Susanne Fischer-Rizzi: Medizin der Erde

Fotos: Anja Böhme