Bäume üben auf die Menschen in jeder Kultur und seit langen Zeiten eine große Faszination aus. Ihre Größe und Präsenz vermitteln Schutz und Kraft, in ihrer Aura können wir Regeneration und Inspiration erfahren. Sie repräsentieren die Kraft an Orten, vermitteln zwischen Kosmos und Erde. In vielen Kulturen gibt es die Weltenbäume, die verschiedene Seins-Ebenen verbinden und als Kanal für den Austausch zwischen Kosmos und Erde wahrgenommen werden.
So auch die immergrüne Weltenesche Yggdrasil in der germanischen Mythologie, die im ältesten Lied der Edda besungen wurde. Ihre mächtige Krone breitet sich über die ganze Welt und den Himmel aus. Hier liegt das Reich der Götter, Asgard. Die drei kräftigen Wurzeln der Weltenesche reichen bis tief in die Erde, in drei Welten mit ihren Quellen hinein, so auch in das Ahnenreich Helheim. Eine dieser Quellen ist Urd, die in Asgard entspringt. An dieser Quelle lesen die drei Schicksalsgöttinnen, die Nornen, aus den Runen die Bestimmung der Menschen und weben deren Schicksalsfäden. Der Stamm verbindet die Wurzelreiche mit den Himmelsreichen, hier leben die Menschen in Midgard. Das Eichhörnchen Ratatöskr läuft am Stamm hinauf und herunter und überbringt Nachrichten zwischen einem Adler, der in der Krone sitzt, und dem Drachen Nidhöggr, der sich um die Wurzeln der Weltenesche schlängelt und an ihnen nagt.
In der Edda werden noch viele weitere Reiche bzw. Welten beschrieben (meistens neun), die sich alle in der Weltenesche befinden. So bildet die Weltenesche eine eigene Welt, einen Kosmos ab, in welchem viele weitere Welten ihren Platz haben. Sie verbindet als Weltenachse axis mundi Erde und Kosmos und die drei Welten, wie wir sie aus den schamanischen Weltbildern kennen: die untere Welt (das Ahnenreich), die mittlere Welt (unsere physische Realität) und die obere Welt (die geistige, göttliche Welt). Der schamanisch Kundige vermag in diese Welten zu reisen und zu wandeln, um Rat und Inspiration zu finden.
Der Weltenbaum verbindet auch das weibliche Prinzip (Erde, Drache als Kraft der Erde) mit dem männlichen Prinzip (Adler, Himmel, Geist, Verstand).
Odin, der germanische Gottvater, erkletterte Yggdrasil und empfang (kopfüber in ihm hängend) während neun Tagen und neun Nächten die Weisheit der Runen. Er opfert dafür sogar ein Auge – und kehrt als weiser Mann zurück. So symbolisiert die Weltenesche auch die Wandlung und Bewusstwerdung, das Erlangen von Erkenntnissen und Weisheit, eingebunden in die kosmische Ordnung.
In der Signaturenlehre tragen alle Bäume die Signaturen des Planeten Jupiter. Jupiter zeichnet seine Gewächse mit einer majestätischen Gestalt und dem Aspekt der Fruchtbarkeit. Jupiter steht für die Themen Ernte, Erfolg, Wohlstand, Glück, Lebenssinn und Ruhe. Doch in jeder Pflanze finden wir auch noch die Signaturen anderer Planeten.
Der Weltenbaum Yggdrasil wird in der Edda als Weltenesche besungen. Ob der germanische Weltenbaum tatsächlich eine Esche ist, wird unter den Fachkundigen jedoch diskutiert. Oft wird auch die Eibe als möglicher Weltenbaum genannt. Thomas Höffgen schreibt in seinem Buch „Schamanismus bei den Germanen“: „Möglicherweise hat der Verfasser der Edda, die ja auf Island niedergeschrieben wurde, wo weder Eschen noch Eiben vorkommen, die Bäume schlicht verwechselt.“
Esche oder Eibe? Beschrieben wird in der Edda ein immergrüner Baum, was auf die Esche aus biologischer Sicht nicht zutrifft – auf die Eibe hingegen schon. Auch wenn die Esche als Laubbaum kein immergrüner Baum ist, so ist doch auffällig, dass sie ihre Blätter im Herbst im noch grünen Zustand abwirft. So könnte man die Esche also doch als „immergrün“ durchgehen lassen. Eindeutiger ist hier jedoch die Eibe, die als Nadelbaum immergrün ist.
In ihrer Wuchsform erinnert die Esche sehr eindeutig an die Sphären eines Weltenbaumes. Sie wächst gerne am Wasser und lädt zum Träumen und Verweilen ein. Ihre tiefen Wurzeln reichen weit in die Erde, ihre lichte Krone mit den gefiederten Blättern reichen weit in die Höhe (den Himmel). Setze dich einmal bei Sonnenschein unter eine Esche und schaue in die Krone. Es ist so inspirierend und belebend, den Tanz der Sonnenstrahlen zu beobachten.
Die Wuchsform der Eibe ist zwar nicht so ausladend wie die der Esche, und doch empfinde ich in ihrer Gegenwart eine tiefe Mystik. Während die Esche als Sonnenbaum die kosmischen Kräfte geradezu einlädt, fühle ich bei der Eibe einen Sog in das irdische Reich der Unterwelt, der Schattenwelt.
Auf der Bewusstseinsebene fördert die Esche als Baum mit Sonnensignaturen Erkenntnisprozesse, Identität und Selbstbewusstsein. In der Eibe sind die Signaturen von Pluto zu erkennen, der für Stirb- und Werdeprozesse, tiefe Transformation und Magie steht.
Mein Fazit: Esche „und“ Eibe. Beide Bäume tragen für mich die Qualitäten des Weltenbaumes Yggdrasil in sich. Als axis mundi verbinden sie Himmel und Erde. Dort, wo sie wachsen, fühlen wir die Orte mit ihren besonderen Kräften. Sie unterstützen beide Wandlungs- und Erkenntnisprozesse im menschlichen Dasein. Zu beiden Bäumen fühle ich mich stark hingezogen, nehme die verschiedenen Seins-Zustände wahr, finde Heilung und Inspiration. Die Esche unterstützt mit ihrem sonnigen Prinzip Erkenntnisprozesse aus kosmischen Sphären, während die Eibe aus den dunklen Sphären unsere Schatten durchlichtet und so zur Heilung maßgeblich beiträgt.
Jeder Baum kann den Geist eines Weltenbaumes tragen. Wir können es fühlen, wenn wir unser Herz für sie öffnen.
Ich möchte dir folgenden Impuls geben:
Fühlst du die Qualitäten des Weltenbaums?
Wenn du „deinen“ Weltenbaum noch nicht gefunden hast,
dann mach dich auf den Weg 😉
Von Herzen,
Anja
Impressionen Esche und Eibe
Inspirationsquellen:
Thomas Höffgen: Schamanismus bei den Germanen
Laura Isabella Deichl: Der Weltenbaum in der Wandelzeit (Blog-Artikel)
Renate Kauderer: Was Bäume raunen
Die Erkenntnisse bei meiner geliebten Esche und der mystischen Eibe
Foto’s: Anja Böhme







