Der Holunder – Holla’s Baum

„Vor dem Holunder zieh den Hut, vor dem Wacholder knie nieder!“ Diese alte Weisheit lässt vermuten, dass in alten Zeiten der Holunder und der Wacholder als heilige Bäume verehrt wurden. Nur in alten Zeiten? Für mich ist dieser Baum, der bis zu sieben Meter hoch werden kann und mehr als ein „Gehölz“ ist, in all seinen Aspekten heilig. So möchte ich dazu ermuntern, sich näher mit dem Holunder zu beschäftigen!

Der im Volksmund genannte „Elder“ wächst gerne in der Nähe menschlicher Behausungen. Der Holunder (Schwarzer Holunder, Sambucus nigra) wurde früher auch „Apotheke des armen Menschen“ genannt. Ein Hollerstrauch am Haus oder Stall versorgte die Bewohner mit Arznei und Schutz. Die weißen Blüten und die schwarz-violetten Früchte stärken das Immunsystem und wurden noch für allerlei andere Beschwerden eingesetzt. Die alte germanische Erd- und Muttergöttin Holla wohnt im Holunder und beschützt Haus, Hof und die darin lebenden Menschen vor Unheil. Niemals wurde ein Holunder gefällt, denn dann kam Unheil über den Hof und seine Bewohner. Denn Holla bestraft mit aller Notwendigkeit. Im Winter bot man der Göttin Gaben in Form von Milch und anderen Geschenken unter ihrem Baum an, um sie milde zu stimmen und ihr zu danken.

Der Holunder ist der Erd- und Muttergöttin Holda (auch Holda oder Hulda genannt) geweiht. Die strahlend weißen Blüten im Frühling und die dunklen (leicht giftigen) Früchte im Herbst symbolisieren die beiden Aspekte dieser Göttin, die das Gute schützt und das Böse bestraft. Sie zeigt uns die Licht- und Schattenaspekte des Lebens und hilft, die Polaritäten wahrzunehmen und zu harmonisieren. Die nun ausgereiften Früchte repräsentieren den schwarzen Aspekt der Göttin, den Schattenaspekt. Sie leiten den winterlichen Rückzug in die Unterwelt (das Totenreich) ein. Dort hüten die „schwarzen“ Göttinnen die Seelen der Toten und ebenso das neu entstehende Leben in Form von Samen, damit diese im Frühling wieder zu neuem Leben erwachen können.

In der Schulmedizin werden die Holunderfrüchte nicht verwendet. Die getrockneten Blüten werden als Schwitztee bei fiebrigen Erkältungskrankheiten eingesetzt. Die Blütendolden können ab Juni geerntet und schonend getrocknet werden.

In der Volksmedizin schätzt man den Tee aus den Blüten ebenso bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten, zudem bei Husten, Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen, Bronchitis und Lungenentzündung. Aus den Blüten kann eine wundervolle Hautpflegesalbe hergestellt werden, das Rezept findest du unten. Auch die Rinde und die Blätter vom Holunder werden in der Volksheilkunde verwendet. Eine Salbe aus den Blättern kann bei Prellungen, Quetschungen und Geschwülsten helfen. Ein Tee aus der Rinde und/ oder den Blättern wird bei Rheuma empfohlen, da er stoffwechselanregend, harntreibend und blutreinigend wirkt.

Die Früchte (namengebend für den „schwarzen“ Holunder) werden als Zusatztherapie in der Krebsbehandlung empfohlen. In den Früchten sind reichlich Anthozyane enthalten, die antioxidativ wirken. Sie enthalten auch viel Vitamin C – so viel, dass selbst nach dem Abkochen noch reichlich enthalten ist. Die Ernte erfolgt ab August. Bitte beachten, dass die rohen Früchte aufgrund des Inhaltsstoffes „Sambucin“ leicht giftig sind und bei Verzehr Übelkeit, Erbrechen und Magend-Darm-Beschwerden verursachen können. Sie sollten also vor dem Verzehr abgekocht werden, denn dann zerfällt das Sambucin. Der Saft aus den Früchten wird zudem bei Infekten, zur Stärkung des Immunsystems und zur Nervenstärkung eingesetzt.

Im Winter können wir auf abgestorbenen Ästen das Judasohr finden, einen Pilz, der ausschließlich auf dem Holunder vorkommt. Eine Legende erzählt, dass sich Judas nach seinem Verrat an einem Holunderbusch erhängt haben soll – danach wuchsen am Stamm Pilze in Fom von Judas-Ohren. Das Judasohr gilt als Heil- und Vitalpilz bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wirkt blutdrucksenkend, cholesterinsenkend, immunstärkend und antioxidativ.

Verwechslungsgefahr besteht beim Roten Holunder (Sambucus racemosa), der auch Trauben- oder Hirschholunder genannt wird. Er hat im Herbst rote Früchte, seine Kerne enthalten schleimhautreizende Giftstoffe. Wenn die Kerne entfernt werden, können jedoch auch diese Früchte nach dem Erhitzen weiterverarbeitet werden. Vorsicht ist jedoch beim Zwergholunder (Attich, Sambucus ebulus) geboten. Die schwarzen Früchte sind giftig und dürfen nicht verzehrt werden.

Die Botschaft, die ich vom Holunder und seiner Göttin wahrnehme, ist: Nimm deine Licht- und Schattenseiten wahr, schau genau hin und fürchte dich nicht. Integriere deine Schattenaspekte und führe dein Leben zur Vollendung!

Rezepte

Erkältungs- und Grippetee
eigene Mischung
Je ein Teil Holunderblüten, Lindenblüten und Mädesüßkraut mischen.
1 – 2 TL mit einer Tasse heißem Wasser überbrühen und abgedeckt 7 – 9 Minuten ziehen lassen.

Holundersaft
Die reifen Früchte in einem Entsafter heiß entsaften oder in einem Topf mit wenig Wasser aufkochen lassen und dann abfiltern. Heiß in saubere Flaschen füllen und kühl lagern, der Saft ist bis zu 12 Monate haltbar (bei richtiger Lagerung).
Dieser Saft kann (bei Bedarf gesüßt) pur oder mit Mineralwasser getrunken werden. Er kann aber auch weiterverarbeitet werden zu Gelee, Sirup, Punsch, Likör oder Suppe.

Holunderblütensalbe
1 – 2 Holunderblütendolden über mehrere Tage in einem guten Pflanzenöl (Bioqualität) bei milder Wärme ausziehen und dann abfiltern. Im warmen Öl 15 Gramm Bienenwachs schmelzen und 10 Tropfen Propolistinktur zufügen.
Die Salbe pflegt strapazierte und raue Haut, lässt kleine Wunden verheilen und verhindert bzw. reduziert die Narbenbildung. 

Holunderbeerensuppe
Stumpf, Zingsem & Hase
1 Liter Holunderbeerensaft, 100 g Zucker, etwas abgeriebene Zitronenschale und eine halbe Zimtstange zusammen mit 250 g Apfelschnitzen kurz aufkochen. 30 Gramm Speisestärke mit wenig Wasser glattrühen und damit die Suppe binden. Eiweiß von zwei Eiern steif schlagen, süßen und mit einem Teelöffel die Masse in die Suppe geben.
Diese Suppe stärkt die Abwehrkräfte in der dunklen Jahreszeit, stärkt die Nerven und lindert Erkältungssymptome.

Hinweis:
Die hier angegebenen Anwendungsbeispiele und Rezepturen ersetzen in keiner Weise den Arztbesuch. Die Anwendung erfolgt in eigener Verantwortung und auf eigene Gefahr.

Quellen:
Simone Detto & Doris Grappendorf: Die wilden 9.
Siegrid Hirsch & Felix Grünberger: Die Kräuter in meinem Garten.
Ursula Stumpf, Vera Zingsem & Andreas Hase: Mythische Bäume.

Fotos: Anja Böhme